Projektstipendium Filmstart Bremen 8 - sechs Projekte ausgewählt
Seit 2015 existiert das von der nordmedia und dem Filmbüro Bremen initiierte Bremer Projektstipendium Filmstart, das künstlerische Filme und Nachwuchsfilmprojekte mit einem Förderbedarf zwischen 1.000 und 10.000 Euro fördert. Ziel von Filmstart ist die Förderung sowohl des Nachwuchses und dessen Professionalisierung, als auch von filmkünstlerischen Projekten etablierterer Filmschaffender.
Die unabhängige Jury bestand aus Jürgen Brügger (Dokumentarfilmer, Köln), Lotte Ruf (Produzentin Berlin/Düsseldorf/Münsterland) und Julia Scheck (Leiterin des Unabhängigen FilmFest Osnabrück).
Aus der Vielfalt der 46 Projekte wählte die Jury zwei Animationen, zwei dokumentarische Stoffe einen Serienpiloten und einen Spoken-Word-Film aus.
Was passiert eigentlich, wenn der digitale Fotospeicher der Welt voll ist? Warum verscheuchen wir Fliegen, lieben aber Marienkäfer? Was hat eine Bohrmaschine über europäische Migration zu erzählen? Was verbindet die Elefanten von Bremen, Wuppertal und Taipeh? Warum wird das Ferienparadies mit aller Kraft geheim gehalten? Und wie fühlen sich junge Frauen in den ihnen zugewiesenen Töpfen?
Gefördert werden durch das Projektstipendium Filmstart 08
Fotorevolte
Animationsfilm von Jule Körperich, Bremen
10.000 Euro, Produktionsförderung
„Fotorevolte“ erzählt, wie der digitale Speicherplatz der Welt überläuft und alle (Digital-)Fotografien und Filme zum Leben erwachen und die Menschen aus ihrer Realität und Zeit verdrängen. Als sich auch noch das Internet manifestiert, verschwimmt die Welt zu einem einzigen Pixelbrei. Kaum jemand wird das überleben. Zum Schluss fliehen die wenigen Überlebenden aus den Städten - weg von menschlichem Leben und digitaler Speicherung.
Jurybegründung: Pixel, Pixel, Pixel. Was passiert, wenn weltweit alle Speicher für digitale Bilder voll sind? Das wüsste die Jury auch gerne. Und wie sieht das dann eigentlich aus? Wir freuen uns auf eine formal vielversprechende Auseinandersetzung und versprechen uns mit einer Juristin als Filmemacherin einen ganz neuen Blick auf Found Footage.
Ich will nicht laut sein müssen
Lyrischer Spoken Word Film von Bildsprachrohr: Eva Matz, Jonas Schmieta, Elena Ortega, Bremen
10.000 Euro, Produktionsförderung
Die Protagonist:innen bekommen von Geburt an eine Rolle zugeschrieben. Die Rolle des Mädchens, der Frau, in die sie hineinwachsen sollen. Eine Rolle, die ihnen ganz genau vorschreibt, wie sie zu sein haben, was sie zu sagen haben und was nicht, wie sie auszusehen und sich zu benehmen haben. Sie werden objektiviert, von außen definiert und immer wieder werden ihre Grenzen auf psychischer, wie physischer Ebene überschritten. Sie fühlen sich gezwungen, sich mit Feminismus auseinanderzusetzen und dafür zu kämpfen, weil die Zustände so, wie sie sind, nicht bleiben können.
Jurybegründung: Das Bildsprachrohr macht seinem Namen alle Ehre: Die Kombination aus lyrischem Spoken Word und visuellem Konzept, Szenenbild und Drehbuch greifen perfekt in einer kämpferischen Form ineinander. Empowerment und Humor - geht das zusammen? Die Jury denkt ja.
bor mašina
Experimenteller Dokumentarfilm von Patrick Peljhan, Bremen
5.000 Euro, Produktionsförderung
Eine alte Bohrmaschine jugoslawischen Fabrikats wird zum Ausgangspunkt einer Geschichte über Migration und Arbeitskraft: Nach der Trennung von meinem Opa kommt meine Oma Anfang der 70er Jahre als Gastarbeiterin nach Deutschland. Mitte der 80er Jahre holt sie meinen Vater nach. Mit im Gepäck hat er eine Bohrmaschine, die knapp 40 Jahre später in meinen Händen landet. Beim ersten Betätigen fliegen die Sicherungen raus. Ich schraube die Maschine auf und schaue in die Vergangenheit...
Jurybegründung: Arbeit, Sprache, Erinnerung. Humorvoll und sehr persönlich setzt sich der Filmemacher Patrick Peljhan mit seiner Familiengeschichte auseinander; anhand einer alten Bohrmaschine jugoslawischen Fabrikats - die dringend repariert werden müsste.
Patrick Peljhan ist Künstler, Filme- und Radiomacher. Er lebt und arbeitet in Bremen. In seinen Arbeiten erzählt er Geschichten über mediale, kulturelle und technologische Phänomene der Migration. Dafür arbeitet er vorwiegend mit privatem und öffentlichem Archivmaterial und führt Interviews mit Zeitzeug:innen.
Die Stadt
Science Fiction Pilotfilm vom Straßentaubenkollektiv: Linus Wirth, Canan Vensky, Bremen
5.000 Euro, Produktionsförderung
Der idyllische Ferienort Cuxhaven ist eine riesige Baustelle. Was hier genau gebaut wird, weiß niemand so richtig. Die Dienstleisterin Frau Jansen erhält einen Auftrag, der sie in das beschauliche Städtchen führt. Während sie im höchsten Büro der Stadt Computer installiert, beginnen sich die Ungereimtheiten zu häufen. Warum soll die Stadt von einem großen Stacheldrahtzaun umgeben werden und was haben die neuartigen Computer damit zu tun?
Jurybegründung: Zu zeigen, was in der Welt steckt, das ist der Anspruch des Straßentaubenkollektivs, der sich jetzt messen lassen muss an einem Science-Fiction-Thriller in Cuxhaven. Wir sind gespannt und unterstützen den ersten Schritt in das professionelle Filmemachen, ganz im Sinne von FilmStart!
Time Flies
Animation von Esther Hafner, Bremen/New York
2.000 Euro, Förderung der Projektentwicklung
"Time Flies" erzählt die Geschichte von einer Gruppe von Fliegen, die auf der Flucht vor Menschen sind und nach einem neuen zu Hause suchen. Die Fliegen finden schließlich Zuflucht in einem alten, verlassenen Haus. Hier lassen sich die Fliegen nieder und errichten eine wunderschöne Stadt namens Fliestown. Die Welt der Fliegen bricht erneut ein, als Menschen nach Fliestown eindringen, mit dem Ziel, die Fliegen ein für allemal zu vernichten. Zwei Fliegen versuchen, als Marienkäfer getarnt, in Fliestown zu überleben.
Jurybegründung: Warum töten wir Fliegen ohne darüber nachzudenken, Marienkäfer aber nicht? „Time Flies“ solidarisiert sich mit den Schwächsten der Schwachen, und das auf spielerische und überraschende Art. Ein dramatischer Trickfilm mit ambitioniertem Blick, auch auf unsere Geschichte.
Elephant in the Room
Essayfilm von CHEN Chengwen, Bremen
2.000 Euro, Förderung der Projektentwicklung
„Elephant in the room“ - eine Redewendung, die auf ein unausgesprochenes, doch für alle sichtbares Problem verweist. Der Elephant ist dabei zugleich ein koloniales Symbol. Mit der Recherchearbeit und Projektentwicklung für einen gleichnamigen Essayfilm möchte ich tief in die in eigenartiger Weise vernetzten Biographien von drei Elefanten in Bremen, Wuppertal und Taipeh blicken und diese zu einer Klang-Bild-Metapher kolonialer Erfahrungen transformieren.
Jurybegründung: Die vernetzten Biografien dreier Elefanten zeigen die bis heute präsenten Symbole des Kolonialismus in Deutschland und Taiwan. Auf seiner Spurensuche richtet der Filmemacher CHEN Chengwen den Blick auch auf uns selbst zurück. Mit einer Projektentwicklungsförderung unterstützt die Jury den Autor beim Spuren suchen und Spuren legen.
Die Stipendiat:innen haben nun bis Mai 2023 Zeit die Projekte zu realisieren. Sie werden dabei vom Filmbüro Bremen begleitet und ggf. mit Einzelcoachings durch Bremer Filmschaffende unterstützt.