Filmstart 10 fördert sieben Bremer Filmprojekte

Seit 2015 existiert das von der nordmedia und dem Filmbüro Bremen initiierte Projektstipendium Filmstart Bremen, das künstlerische Filme und Nachwuchsfilmprojekte mit einem Förderbedarf zwischen 1.000 und 10.000 Euro fördert. In der zehnten Runde wurden von insgesamt 39 eingereichten Projekten sieben Bremer Projekte gefördert. Ziele von Filmstart Bremen sind sowohl die Förderung des Nachwuchses sowie der  Professionalisierung als auch die Unterstützung von filmkünstlerischen Projekten etablierter Filmschaffender.

Für die Vergabe der neuen Filmstart-Förderungen hat das Filmbüro wie gewohnt eine unabhängige Fachjury einberufen. Die Filmstart-Jury 2024 setzte sich wie folgt zusammen: Sara Fazilat (Produzentin, Berlin) Oliver Hottong (Kultur- und Filmjournalist beim Saarländischen Rundfunk, Saarbrücken), Jan van Hasselt (Autor und Filmemacher, Bremen)

Aus der Vielfalt der Projekte hat die Jury sieben ausgewählt. Wir dürfen gespannt sein auf einen kunstvollen Kung-Fu-Film und mehrere Animationsfilme. Ein Puppentrickfilm über das Erinnern und Vergessen und fünf stilistisch sehr unterschiedliche Animationen zu Liedern, die sich mit der Erziehung von Kindern zur Sauberkeit beschäftigen. In einer animierten Science-Fiction-Komödie führt eine künstliche Intelligenz zu einer Identitätskrise, und in einem Super-8-Film verschmelzen Poesie und Bild. Eine filmische Recherche geht den Zusammenhängen von Identitätsbildung und Architektur in Deutschland und im Iran nach und der Film, der beim Filmfest 2023 mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wird, erhält eine Förderung für seine weitere Verbreitung.

Informationen zu den einzelnen Projekten und die Jurybegründungen finden Sie nachfolgend.

Ein Haufen Filme | Animationsreihe für Kinder von Gregor Hennig, Bremen | 10.000 Euro Förderung der Produktion

Kinder beschäftigen sich ausgiebig mit dem Thema Verdauung und deren Erzeugnissen. Renommierte Animationskünstler:innen der Region und das Album „Ein Haufen Lieder“ widmen sich dem sagenumwobenen „Pipikaka-Land“ und allem, was in Klo oder Töpfchen landet.

Jurybegründung: Anne Moder und Gregor Hennig haben zusammen mit Jeff Hemmer, Karin Demuth, Rainer Ludwigs, Nanja Heid und Daniel von Bothmer fünf unterschiedliche animierte Kurzfilme geschaffen. Gemeinsam haben die Filme den Ansatz, Kindern und Erwachsenen den Weg der Verdauung nahezubringen und damit verbundene Tabus zu brechen. Die Jury freut sich auf junge Menschen mit einem gesunden Körpergefühl und einem selbstbestimmten Umgang mit Ernährung und Verdauung. Untermalt wird das ganze musikalisch mit dem Album „Ein Haufen Lieder“.

Five Times A Fortune | Kung-Fu Film von Victoria Xiang-Rui Ruhe, Köln/Bremen | 7.000 Euro Förderung der Produktion

Xiaolong, Anfang 30, Triadenmitglied, stürmt in ein Restaurant auf der Suche nach einem Versteck. Im Gegenzug soll Xiaolong erzählen, woher sie kommt, und wessen Zopf sie dabei hat. In Rückblenden entfaltet sich ein Kampf, der sich mit jedem Versuch ihn zu schildern, wesentlich verändert. Das abgeschlossene Restaurant und die müde Nachmittagssonne lassen die Gäste ihre eigenen Geschichten ebenfalls erzählen. Sie verweben sich mit Xiaolongs Versuchen, ihre eigene Wahrheit zu schützen. Xiaolong will die Regeln ihrer Welt selbst schreiben.

Jurybegründung: Victoria Xiang-Rui Ruhe überrascht mit der mutigen bis dreisten Idee, einen Martial-Arts-Film mit Kung-Fu-Kämpfen und chinesischstämmiger Anti-Heldin in Deutschland anzusiedeln, um Themen wie Migration und Gender-Zuschreibungen positiv in genretypischen Klischees zu spiegeln. Die Jury freut sich auf den ersten asian-german Neo-New-Wave-Film mit Bremer Beteiligung.

THINGS WITHOUT BODIES IN STORIES WITHOUT NAMES | Animationsfilm von Vafa Aminikia, Bremen | 6.500 Euro Förderung der Produktion

Durch eine allegorische Erzählung wird der Protagonist von mysteriösen Ereignissen und Personen geleitet, die nach und nach sein Gedächtnis, beginnend mit seinem Namen, auslöschen und ihn auf eine rauschhafte Reise führen, die ihn schließlich die Sprache vergessen lässt.

Jurybegründung: Vafa Aminikia nähert sich der Sehnsucht nach den Urformen intersubjektiver Gemeinsamkeit über eine märchenartige Erzählform mit außergewöhnlich gestalteten Puppen-Charakteren und durchdachtem Sounddesign. Er überführt dabei komplexe religiöse und philosophische Themen in eine eigenwillige Ästhetik, die zugleich verstört und verzaubert.

Democratizing Synthiola | Animation, Science-Fiction Comedy von Fabian Mosele, Bremen | 4.000 Euro Förderung der Postproduktion

Zwei Hacker sind auf der Mission, die mächtigste KI aus dem Silicon Valley als Open-Source zu veröffentlichen. Dabei geraten sie in ein romantisches Chaos, als der eine Hacker die KI auf die Identität des Anderen trainiert. Durch ungewolltes Klonen und eine Identitätskrise handelt die Geschichte von Authentizität und Zustimmung im Zeitalter der generativen KI.

Jurybegründung: Fabian Mosele alias Synthiola untersucht die Welt der KI von innen. In Moseles bisherigen Arbeiten und in der Projektbeschreibung sahen wir eine hohe Expertise, eine schöne konzeptionelle Strenge bei gleichzeitig neugieriger Offenheit. Wir sind gespannt auf eine Reise in eine neue Welt, neue Einsichten und kritische Blicke auf das, was künstliche Intelligenz ist - oder eben nicht ist.

How to Abolish a Name | Documentary Fiction von Aria Farajnezhad, Bremen | 3.000 Euro Förderung der Produktion

„How to Abolish a Name“ ist ein Film, der sich mit der Frage beschäftigt, warum der erste Direktor der iranischen Nationalbank ein Deutscher war. Der Film verweilt in einem der ersten Gebäude der iranischen Nationalbank (entworfen von dem deutschen Architekten H. Heinrich), das 1928 errichtet und 2017 in ein Museum umgewandelt wurde. Die Architektur ist eine Manifestation des Projekts der Nationalstaatsbildung, das eine Identität konstruiert, die auf die vorislamische Ära stolz ist.

Jurybegründung: Aria Farajnezhad pflegt einen eigenwilligen und überraschenden Rechercheansatz mit ebenso überraschenden Koinzidenzen. Er findet in Architektur und Infrastruktur interkulturelle Verbindungen zwischen Iran und Deutschland denen er etwas abgewinnt, das er als metaphorische Spannungen bezeichnet. Die Jury glaubt, dass Farajnezhad mit dem Filmstart-Stipendium einen dokumentarischen Kunstfilm mit ungewöhnlich neuen Formen realisieren wird.

Zungen brechen | Experimentalfilm von Seraina Herbst, Bremen | 3.000 Euro Förderung der Produktion

Zungen brechen, deutet auf das Scheitern einer Formulierung hin, ihres Aufbrechens, aus dem poetische Kraft hervortritt. Die Synästhesie von Sprache, Schrift und Bild ist das Thema eines Textkompendiums der Künstlerin, das dem filmischen transdisziplinären Vorhaben vorausgeht. Im Ephemeren des projizierten Super-8-Films, in dem Schnitte, Unschärfen, Kratzer, das Rattern des Projektors die konsistente Welt perforieren, eröffnet sich Raum für Unsagbares, ein Zwischen den Zeilen und des Sprechens, das E-motion also Ausdehnung ist.

Jurybegründung: Seraina Herbst wird mit Super 8 Filmrollen „Zungen brechen“. Sprache und Schrift führen zu einer eigenen Bildsprache. Schrift wird zu Bild gemacht und Sprache zum Ton. Dadurch entsteht eine eigene Kommunikationstechnik, die durch die Kunst des Filmes die Suche nach einem Selbst und dem Dazwischen nahebringt.

Die Bergmanns | Dokumentarfilm von Susanne Hensdiek, Bremen | 2.000 Euro Förderung des Vertriebs

Die besondere Geschichte der eineiigen Zwillinge Matthias und Christian. Vom Gleich- und Anderssein, von Nähe und Rivalität, einer lebensrettenden Nierenspende vor 30 Jahren, Humor, Mut und Anarchie - und einigen Verrücktheiten.

Jurybegründung: Susanne Hensdieks Portrait ist im Wortsinne ein Glücksfall. Es feiert das Glück des Lebens und das Glück der Liebe. Die Brüder Matthias und Christian haben sich immer des einen versichert, wenn es an dem anderen zu fehlen drohte. Wie schön, dass sie sich dabei diesen wachen, klugen Blick bewahrt haben. Und wie schön, dass die Filmemacherin ihnen dafür jeden Raum gelassen hat - mit einer auf das Wesentliche reduzierten Ökonomie der Mittel. Dieser Film hat jedes Publikum und jede Aufmerksamkeit verdient.

Die Kurzbiografien sind der einzelnen Filmschaffenden sind auf www.nordmedia.de/filmstart abrufbar.

Die Stipendiat:innen haben nun bis Juni 2025 Zeit, ihre Projekte zu realisieren. Sie werden dabei vom Filmbüro Bremen begleitet und ggf. mit Einzelcoachings durch Bremer Filmschaffende unterstützt.

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