"Aus Fluch wird Segen"- bewegte Bilder im Netz
nordmedia Business-Frühstück zum Thema "Videodistribution im Internet"
Online-Videoseiten sprießen derzeit aus dem virtuellen Boden und kämpfen neben Reichweite nun zunehmend um attraktive und exklusive Inhalte. Wie die unterschiedlichen Geschäftsmodelle von Amazon, Netflix, Watchever und Co. aussehen und wie Produzenten sich diese zunutze machen können, machte Britta Schewe in ihrem spannend und charmant erzählten Vortrag greifbar. Britta Schewe spezialisierte sich früh auf die Akquisition von Film- und TV-Rechten, unter anderem bei der T-Online International AG und durch ein eigenes Video on Demand Start-Up.
2009 gründete sie die Grete Grote Internetproduktion UG, um neue Geschäftsmodelle für die Produktion von Bewegtbildinhalten auf Basis von Branded Entertainment und Internetdistribution zu entwickeln. Diese Firma benannte sie nach ihrer Großmutter, die mit Ruhe und Bedacht ihre Familie durch unruhige Zeiten führte. An dieser Maxime orientiert sich auch Schewe. Vertiefen konnte sie ihre Erfahrungen durch zusätzliche Beschäftigungen bei Viacom International Media Networks und neuerdings bei joiz, dem ersten Social TV Sender Deutschlands, als Head of Content Distribution & Sales.
Beim nordmedia Business-Frühstück gab Britta Schewe zunächst einen Überblick über die etablierten Online-Video Plattformen auf dem Markt. YouTube sei ?der größte TV-Sender der Welt? und zähle zu den wichtigsten Playern im Netz - jede Minute würden 72 Stunden Videomaterial hochgeladen, im Schnitt monatlich mehr als vier Milliarden Stunden Videomaterial angesehen. Doch Reichweite bedeutete nicht automatisch Profitabilität - so stelle die Monetarisierung des Contents die größte Herausforderung für Anbieter wie YouTube dar. Schewe zeigte einige Vertriebsmodelle der großen Plattformen. Darunter Vimeo, ein anspruchsvolles und qualitativ hochwertiges Portal, das neben redaktionellen Editorials für Filmemacher auch Videohosting Services (zwischen 49,95 und 149 Euro im Jahr) und ein kostenpflichtiges Video on Demand (VoD) Portal für Langfilme bietet. Des Weiteren stellte sie das vor allem in den USA expandierende VoD-Portal Netflix vor, ebenso wie LoveFilm von Amazon, das VoD durch klassisch postalischen DVD-Versand erweitert hat.
Unter dem Motto „Illegal - ist auch egal“ machte Schewe darauf aufmerksam, dass vielen Usern im Netz der Unterschied zwischen legalen und illegalen Inhalten oft nicht ersichtlich sei. Das liege vor allem an kostenpflichtigen Leistungen (z.B. schnellere Downloadgeschwindigkeit) und umfangreichen Werbeaktivitäten, wie Pre-Rolls (vorgeschaltete Werbespots) anerkannter Marken, was vertrauenserweckend wirke. Die Marken selbst wüssten dabei oft gar nicht, auf welchen Portalen ihre Anzeigen geschaltet werden. Trotz der leider großen Nutzung illegaler Portale seien mittlerweile lohnenswerte Vertriebsstrukturen für Produzenten auf Online-Portalen entstanden. So erläuterte Schewe, dass man z.B. mit einem Partnerchannel von YouTube an Werbeeinnahmen nach TKPs (Tausender Kontakt Preis) beteiligt sei. Andere Plattformen böten prozentuale Umsatzbeteiligungen („Revenue Shares“) an.
Schewe merkte an, dass es darauf ankäme „in wie vielen Regalen man stehe“: Erfahrungsgemäß sei die Streuung auf mehreren Portalen der Schlüssel zu einem lohnenden Vertriebsweg im Netz. Dabei müsse man sich vorab selbst die Frage stellen, welches Volumen tatsächlich online erzielbar sei und was mit dem Projekt generell erreicht werden solle. Durch Branded Entertainment, wie das klassische Product Placement, sei es Produzenten zusätzlich möglich, eine Marke mit Inhalt zu verbinden und dadurch neue Finanzierungsmöglichkeiten für unterschiedliche Videoproduktionen aufzudecken.
Schewe bezog sich hier auf Ergebnisse einer Untersuchung im Bereich der Markenwahrnehmung: Marken müssten nicht bewusst wahrgenommen werden - die Testseher reagierten auf Töne und Bilder auch unbewusst. So würden emotional aufgeladene Szenen besser erinnert werden, während die Sympathie für einen Schauspieler eine nicht messbare Rolle spielt: „Auch der Böse kann für eine gute Marke werben.“, so Schewe.
Abschließend ging sie auf das Trend-Thema ?Crowdfunding? ein und nahm Bezug zu ihrer aktuellen Produktion - der Webserie NICHTLUSTIG. Diese Marke sei bereits seit zehn Jahren bekannt und wüsste eine große Fangemeinde hinter sich, weshalb Crowdfunding hier sehr gut funktioniere. Meistens würde leider nur ein Bruchteil aller Crowdfunding-Aktionen erfolgreich finanziert, denn es sei schwer per Crowdfunding noch Unbekanntes bekannt zu machen. Für kleinere Projekte mit starker Zielgruppenausrichtung ist diese Finanzierungsform jedoch weiterhin ein interessanter Weg.
Im Anschluss an diesen ausführlichen und dennoch kurzweiligen Vortrag entwickelten sich intensive Gespräche, in denen viele Detailfragen erörtert wurden. Zugleich wurde die Gelegenheit genutzt, sich in gewohnt entspannter Frühstücks-Atmosphäre auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen.
Fotos: Jörg Lorenz
Aufgrund der sehr positiven Resonanz wird Britta Schewe auch beim nordmedia Business-Frühstück in Bremen zum Thema "Videodistribution im Internet" referieren. Wer ihren Vortrag in Hannover verpasst hat, hat am Freitag, den 21. Juni in Bremen noch einmal die Gelegenheit dazu! Hier geht es zum Anmeldeformular.